Vögel des Glücks – Kraniche fotografieren

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Der Wunsch
Der Kranich (Grus grus) ist schon ein imposanter Vogel. Wer schaut nicht sehnsüchtig im Herbst und Frühjahr gen Himmel, wenn die majetätischen Vögel über unsere Landschaften hinweg ziehen. Man müsste diese Tiere mal von Nahem erleben, sie hören oder gar fotografieren. Das war schon seit längerer Zeit mein Wunsch. Als mir meine Frau nun zu Weihnachten ein verlängertes Fotowochenende bei den Kranichen schenkte, schien meine Chance auf schöne Fotos gekommen zu sein. Es wurde viel recherchiert und Möglichkeiten bei befreundeten Fotografen sondiert. Die Reisezeit und Route war dann schnell festgelegt. Es sollte zunächst ein paar Tage zum Teichgut Linum westlich von Berlin gehen. Das eigentliche „Storchendorf“ ist im Herbst fest in der Hand der rastenden Kraniche. Anschließend wollte ich im Bereich des Zingster Boddens sowohl den Einflug der Kraniche, als auch die Kraniche bei der Futtersuche fotografieren. Hierzu hatte ich beim Kranichzentrum Groß Mohrdorf eine Fotohütte direkt am Futterplatz am Günzer See gebucht. Ein paar Motive können Sie in der neuen Galerie 152 anschauen.

16107627, Frank Körver, Frank Koerver

Das „Storchendorf Linum“
Meine erste Station war Linum. Schon bei der Anreise standen zahlreiche Kraniche auf den gerade geernteten Stoppeläckern der Maisfelder. Das ließ schon mal hoffen. Linum selbst ist ein beschauliches Straßendorf mit Kopfsteinpflasterstraße. Mitten im Ort liegt das Informationszentrum des Nabu, wo Vorträge und Informationen geboten werden. Der Grund warum Linum bei den Störchen und Kranichen so beliebt ist, ist das riesige Teichgut, das am nördlichen Ortsrand in einer Senke liegt. Während die Kraniche tagsüber in den umliegenden Feldern auf Nahrungssuche gehen, fallen sie abends vor Sonnenuntergang im Teichgut ein, um im teilweise knietiefen Wasser der Fischteiche die Nacht zu verbringen. Diese Form der Nachtruhe ist typisch für den Kranich. Da er anatomisch nicht in der Lage ist, auf Ästen zu ruhen, nutzt er flache Gewässer zur Nachtruhe, um vor Fressfeinden jeglicher Art geschützt zu sein. Somit sind natürlich sowohl der abendliche Einflug, als auch der morgendliche Abflug für die Fotografie von besonderer Bedeutung, da hier die Tiere in geringer Höhe das Dorf überfliegen. Tausende und Abertausende ziehen dann mit lautem Trompeten über die Dächer des kleinen Ortes hinweg. Derzeit sind es etwa 50.000 Tiere, die hier in Linum zur herbstlichen Rast auf dem Zug in den Süden Station machen. Es ist natürlich mit etwas Glück verbunden, den richtigen Standort für Flugaufnahmen der majetätischen Vögel zu finden. Gefühlt ist es wie an der Supermarktkasse. Man meint immer falsch zu stehen.

Flugbewegungen der Kraniche. Frank Körver, Frank Koerver

Dennoch haben sich für mich ein paar Standorte als besonders ergiebig heraus gestellt. Diese habe ich in der Karte rot markiert. Die Kraniche fliegen abends von Süden über die A24 kommend über das Dorf Richtung dem Sammelplatz auf den Wiesen (grüne Punkte). Von dort starten sie dann zur  Nachtruhe zu den blauen Punkten im Teichgelände. Am Morgen fliegen sie dann wieder Richtung Süden über die Autobahn zur Nahrungssuche entlang des Kuhhorster Weges.

Kraniche im Nebel, Frank Körver, Frank Koerver

Die Alternative – Zingster Bodden und Günzer See
Die zweite gute Adresse für die Kranichfotografie ist natürlich die Halbinsel Zingst. Hier übernachten die Kraniche, ihrem Schutzbedürfnis folgend, in den flachen Boddengewässern südlich von Zingst. Auch hier ziehen die Vögel während des Tages auf die weitläufigen Äcker des Umlandes, wo die frisch abgeernteten Maisfelder das Ziel der Vögel sind. Fotografisch gesehen sind hier die Bretter, die man bohren muss, deutlich dicker. Die Distanzen zu den Vögeln sind aus meiner Sicht deutlich größer. Auch die Möglichkeiten zu guten Flugaufnahmen zu kommen, sind hier nicht ganz so gut. Darüber hinaus hat die Gegend natürlich eine ganze Menge mehr zu bieten als bloß die Kraniche. Hier ist zunächst mal die schöne Landschaft zu nennen. Der endlose Himmel mit herrlichen Wolkenformationen. Der Wald des Darß, der herrliche Darßer Weststrand, die Schilflandschaft des Boddens und die Ostsee selber. In erreichbarer Nähe liegt ebenfalls der Nationalpark Jasmund auf Rügen. Fotografisch gesehen also eine sehr ergiebige Region.

Kraniche bei Sonnenuntergang, Frank Körver, Frank Koerver

Die „Geheimwaffe“ – eine Fotohütte am Günzer See
Da ich natürlich nicht nur fliegende Kraniche fotografieren , sondern ihnen auch am Boden sehr nahe kommen wollte, war für mich klar, dass ich mich in eine der fünf Fotohütten am Günzer See (gelbe Punkte auf der Karte) für einen Tag einmieten wollte. Ich hatte die Hoffnung die großen Vögel auch mal formatfüllend ablichten zu können. Am Vortag meines Ansitztages besuchte ich die neu errichtete Beobachtungsstation „Kranorama“ (roter Punkt = Kranorama, blauer Punkt = Parkplatz, auf der Karte beides noch im Bau). Tatsächlich standen viele hunderte, wenn nicht sogar tausend Kraniche vor den Wiesen des Kranorama (rote eingekreiste Fläche). Auch die Fotohütten waren zu sehen. Dort waren allerdings höchstens eine Hand voll Vögel in recht weiter Entfernung zu den Hütten (60 – 80 m) zu sehen (linker Rand der gelbe Umrandung). Naja, dachte ich, es ist ja auch schon Nachmittag, da werden die Futterstellen wohl schon leer gefressen sein. Am nächsten Morgen pilgerte ich also schwer bepackt mit Ausrüstung, Kleidung, Isomatte, Sitzstuhl und Essen für 12 lange Stunden in völliger Dunkelheit und dichtem Nebel zu meiner Fotohütte. Ich erreichte nass geschwitzt mein Ziel und bezog leise meine Unterkunft für die nächsten 12 – 14 Stunden. Teil meiner Vereinbarung mit dem Kranichzentrum war nämlich, dass die Hütten nur bei Dunkelheit bezogen und verlassen werden dürfen. Dazwischen ist ein Verlassen der Hütten nicht gestattet. Macht ja auch Sinn, wenn man weiß, wie scheu Kraniche auch Störungen reagieren. Ich verstreute vorab noch den mir vom Zentrum zur Verfügung gestellten Mais vor meinem Tarnversteck und wunderte mich über die recht geringe Menge an Lockmais, der vor den Hütten durch Mitarbeiter des Kranoramas am Vorabend ausgestreut worden war. Dennoch war die Hoffnung noch groß. Als es dämmerte hörte man die Kraniche heran ziehen. Jetzt geht´s los, dachte ich! Aber nichts passierte. Genauer gesagt, alles passierte woanders. Aber, wo? Wie am Vortag bereits beobachtet, spielte sich das Geschehen ausschließlich vor dem Kranorama ab. Im Verlauf der nun folgenden gähnend langen 14 Stunden wurde mir klar, dass die Mitarbeiter den Begriff Ablenkungsfütterung nur allzu wörtlich genommen hatten und mit der wohl sehr intensiven Fütterung vor dem Besucherzentrum die Vögel ausschließlich dort hin lockten. So blieb mir auf 2,5 m² letztlich nur die Beobachtung tausender Kraniche, die in nur 300 m Entfernung munter den ganzen Tag ein- und ausflogen. Wenn ich die Situation in einem Wort zusammen fassen müsste, würde mir am ehesten „Frechheit“ einfallen. Das Kranichzentrum nutz die Spende (Miete) für die Fotohütten, um vor dem Kranorama den Besuchermassen die Kraniche kostendeckend zu präsentieren. Alle Fotomöglichkeiten, die man aus den Hütten derzeit hat, sind im Umland des Boddens oder besser noch im Umland von Linum tagsüber von öffentlichen Straßen weitaus besser zu erleben und zu fotografieren. Mein Fazit: Die Fotohütten am Günzer See sind zum Nepp verkommen. Danke hierfür an Nabu und WWF. Wer also dort Kraniche fotografieren will, der sollte getrost ins Kranorama gehen und dort seinem Hobby kostenlos nachgehen. Dort hat man weitaus besseren Erfolg!
Kurz entschlossen habe ich am nächsten Tag aus der Not eine Tugend gemacht und mich um schöne Motive des Nationalpark Jasmund gekümmert. Das war für mein erregtes Gemüt wahrer Balsam.

Günzer See, Kranorama, Frank Körver, Frank Koerver

Die Möglichkeit
Wo und wie hat man denn nun die Möglichkeit, Kraniche hautnah zu erleben, wenn nicht aus den Fotohütten am Günzer See? Die Antwort fällt nicht leicht. Für meinen Teil würde ich derzeit folgende Strategie empfehlen: Man lässt die Fotohütten und die Anflugmöglichkeiten am Zingster Bodden ganz außer Acht. Stattdessen konzentriert man sich auf die Ein- und Ausflüge der Kraniche am Abend und am Morgen in Linum. Meines Erachtens ist auch im Bereich Linum die Möglichkeit Kraniche tagsüber bei der Nahrungssuche aus der Nähe zu fotografieren am Besten. Hier würde ich empfehlen, das gesparte Geld in einen guten Tarnponcho zu investieren und im Großraum Linum früh morgens am Rand eins potentiellen Nahrungsfeldes im Dunkeln Stellung zu beziehen. Hier bieten sich frisch abgeerntete Felder mit angrenzendem Waldsaum als Versteck an. An solchen Stellen ist dann mit recht hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass ein paar Kraniche auf gute Fotodistanz heran kommen. So hat man z.B. die Möglichkeit weitläufig im Bereich um den Kuhhorster Weg solche Stellen zu finden. Tagsüber sollte man geeignete Möglichkeiten vorab sondieren. Eine aktive Annäherung während des Tages ist hingegen gänzlich ausgeschlossen, da man nur stört. So ist bei dieser Art der Fotografie zwar ein bisschen Glück nötig, die Chancen sind aber durchaus  reell. Also, viel Spaß und vor Allem viel Glück bei den Kranichen.